Dr. Kai Heitmann

Dr. Kai Heitmann
Mr. Interoperability

„Interoperabilität ist Kunsthandwerk im Team“ ist eine seiner prägnanten Zusammenfassungen zum Thema: Dr. Kai Heitmann widmet sich in verschiedenen Rollen bereits seit Jahrzehnten der Kommunikation, Standardisierung und Integration im Gesundheitswesen. Dass das kein trockenes Beschäftigungsfeld ist, hatte er von Mai 2019 bis Ende 2021 als Director Interoperability im health innovation hub (hih), der vom Bundesministerium für Gesundheit gegründete Think Tank für Digitalisierung im Gesundheitswesen, deutlich gemacht. Als Berater in Anwendungs-, Integrations- und Architekturprojekten in ganz Europa und Geschäftsführer einer Standardisierungsorganisation weiß er, dass Technik nur ein Erfolgsfaktor ist. Die wichtigste Zutat für Interoperabilität ist das Zusammenspiel von engagierten Menschen.


1. Interoperabilität klingt abstrakt und sehr technisch, was bewegt Dich, dass Du Dich seit vielen Jahren so intensiv damit auseinandersetzt?

Ja, Interoperabilität ist sicher ein auch ein theoretisch anspruchsvolles und technisches Thema. Aber für mich ist es vor allen Dingen eines, dass zunächst viel mit Menschen zu tun hat. Damit Interoperabilität passieren kann, müssen Menschen miteinander reden, diskutieren, sich vertrauen. Das Erzeugen von Spezifikationen, die schließlich dazu führen, dass Systeme interoperabel agieren, ist anschließend Handwerk, das die Expertinnen und Experten für Terminologien und Datenformate bewerkstelligen und die Industrie aufnimmt. Weil das initiale und permanente Moderieren von Menschen an sich auch Fähigkeiten abverlangt ist, spreche ich gerne von „Kunsthandwerk im Team“, zusammen „verzieren“ wir Systeme (und Menschen) mit Interoperabilität.

2. Wo steht Deutschland im internationalen Vergleich, und wo haben wir den größten Aufholbedarf?

Viele Jahre, gar Jahrzehnte, haben verschiedene Organisationen Spezifikationen für Interoperabilität erstellt. Das deutsche Interoperabilitätsforum z. B. tut dies seit 2009. Es sind vor allem Standardisierungsorganisationen, in aller Regel unter Beteiligung der Industrie und natürlich aller Stakeholder, die Interoperabilität fordern und fördern. Das hat nun auch breite Aufmerksamkeit.
Ein Beispiel für eine internationalen offenen Standard ist die International Patient Summary. Diese Vorgaben sind von anderen europäischen Ländern bislang eher aufgegriffen und in ihre Infrastrukturen eingebaut worden, als das in Deutschland der Fall war. Ein Beispiel dafür ist ELGA, das österreichische Pendent zu unserer ePA. Eigentlich erst in den vergangenen ca. zwei Jahren haben wir uns diesen internationalen Vorgaben angeschlossen. Unseren größten Aufholbedarf sehe ich allerdings bei den Systemen, die mit den Benutzern interagieren. Vor allem unsere Praxis-Informationssysteme aber eben auch Krankenhaussysteme müssen vielerorts erheblich „aufgemotzt“ werden, damit man Daten qualitätsmäßig besser als bisher erheben, speichern, kommunizieren und nachgängig z. B. wissenschaftlich verwerten kann. Nach der Krankenhausförderung ist dieses Upgrade zu Benutzerführung und Funktionalität also auch auf den anderen Ebenen dringend nötig.

3. Welche Entscheidungen stehen in dieser Legislaturperiode an, auf welche Stichwörter sollte man dabei besonders achten?

Ich glaube, dass wir in der jüngsten Zeit wichtige Schritte in die richtige Richtung unternommen haben. Aber wir sind noch lange nicht am Ziel, Stichwort: Laufen lernen. Wir haben eine Interoperabilitäts-Governance, die noch am Anfang ist und bei der man sicher noch Verbesserungen anbringen muss. Verschiedene Organisationen bedienen sich inzwischen interoperabler Methoden, doch hier ist unnötige Diversität in den Spezifikationen für unser Land zu vermeiden, Stichwort: Uniformität anstreben. Wir sollten angefangene Projekte wie das eRezept und vor allen Dingen auch die elektronische Patientenakte ePA endlich in die Fläche bringen, Stichworte: Machen und Dazulernen. Dass Anwendungssysteme dafür verbessert werden müssen, hatte ich bereits erwähnt. Aber auch die Unterstützung der Nutzerinnen und Nutzer vor Ort, beispielsweise ärztliches Personal, muss deutlich mehr und qualitativ hochwertiger geschehen. Hier hoffe ich, dass Unternehmen dies als neue Geschäftsfelder entdecken, Stichwort: Neues entdecken. Das wichtigste scheint mir aber: Interoperabilität muss eine Selbstverständlichkeit sein, Stichwort: Interoperabilität-Strategie. Ich hoffe, dass das Verständnis dafür auch in dieser Legislaturperiode nicht aus dem Sinn gerät.

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